Ich wollte schon immer mal in ein Ashram. Wie ein buddhistischer Mönch leben. Früh aufstehen, Yoga, Meditation und die Ruhe und Natur genießen. Raus aus den normalen Verpflichtungen, der Hektik, dem Stress. Dafür muss man noch nicht mal um die halbe Welt fahren, denn ich habe eine tolles Ashram im Schwarzwald gefunden. Und so bin ich aufgebrochen, um bei einem Schweigeseminar die Ruhe in mir zu finden.
„Meditation ist die Reise von Bewegung zu Ruhe, von Geräuschen zur Stille“
Sri Sri Ravi Shankar
Das Ashram
Das Ashram ist eher einfach und zweckmäßig gehalten. Du kannst entweder in einem Doppel- oder Einzelzimmer untergebracht werden, mit eigenem Bad oder geteiltem Bad auf dem Flur. Es gibt auch Freiwillige, die in einem Mehrbettzimmer untergebracht sind und Kost und Logis gegen ihre Arbeit bekommen. Z.B. bereiten diese das Essen zu oder kümmern sich auch um das Haus, renovieren, erweitern etc.

Das Ashram liegt mitten im Schwarzwald in der Natur und man kann von hier aus tolle Wanderungen unternehmen.
Der Guru
Das Ashram wurde gegründet von Sri Sri Ravi Shankar, einem indischen Guru. Ich halte eigentlich nicht so viel vom „Guruismus“. Ich hatte immer das Bild von einem Meister, der mein Leben bestimmt und dem ich blind folgen soll. Das klingt gruselig. Ich will doch selbst über mein Leben entscheiden. Doch hatte ich bei dem Schweigeseminar nie das Gefühl, dass es darum geht meinen Weg zu finden und nicht darum, strikt eine von jemand anderem erfundene Lehre zu befolgen, sonst folgt die Verbannung. Vielleicht muss ich meine Einschätzung von einem Guru ein wenig überdenken. Sri Sri Ravi Shankar wird auch mehr als Friedensbotschafter proklamiert, was ich wiederum sehr sympathisch finde. Auch die Idee, dies mit meinem Kursbeitrag unterstützt zu haben, gefällt mir.
Das Schweigeseminar
Der Kurs, welchen ich belegt hatte, besteht aus drei Tagen Einführung und vier Tagen Schweigen. Diese Aufteilung ist für Anfänger bestens geeignet, denn man wird langsam in die Stille eingeführt. Wer allerdings schon Erfahrung hat, kann auch gleich ein sieben- oder zehntägiges Schweigeseminar buchen.
Der Tagesablauf im Schweigeseminar
7:00 – 8:15 Yoga
Noch vor dem Frühstück geht es los mit Yoga. Energiegeladen und gleichzeitig entspannt in den Tag zu starten, fühlt sich fantastisch an.
Yoga hat den Vorteil, dass es einmal den kompletten Körper dehnt und damit fit für den Tag macht und auf der anderen Seite natürlich auch deine Kraft trainiert. Ursprünglich sind die Yoga Asanas als Vorbereitung für die Meditation gedacht, sodass man dadurch z.B. länger sitzen kann. Somit ist Yoga also unablässig für unser Schweigeseminar, wo es ja auch viel um Meditation geht.
8:15 – 9:00 Frühstück
Nach dem Yoga ist es Zeit für das Frühstück, das bereits für uns vorbereitet wurde. Das komplette Essen wird sattvisch zubereitet. Es ist also vegetarisch und beruht auf den Kenntnissen des Ayurveda. Zum Frühstück gab es meist Brei mit verschiedenen Nüssen, was ich zu Hause eh auch gerne esse.
10:00 – 13:00 Schweigeseminar: Vormittagssession
In den ersten drei Tagen wurden viele Übungen gemacht, um uns auf die Schweigezeit vorzubereiten. U.a. haben wir in einer kleinen Gruppe von drei Personen die Möglichkeit bekommen, alles auszusprechen, was uns im Moment belastet. Das hat befreiend gewirkt und gleichzeitig intim, wenn man seine Gedanken wildfremden Menschen anvertraut. Aber so war es nicht wichtig, was die anderen trotz der offenbarten Gedanken von mir halten. Wer weiß, ob man sich jemals wiedersieht. Es ging einfach nur um mich.
Eine Übung ist mir ganz besonders in Erinnerung geblieben: sich gegenüber sitzen und in die Augen schauen. Das ist eine sehr intensive Übung, um sein Herz zu öffnen – für den anderen. Lachen, Weinen – alles ist erlaubt.
Zudem wurde viel meditiert und ich habe verschiedene Atemtechniken gelernt, die für die Meditation ebenfalls sehr wichtig sind.
Während der Stillezeit gab es natürlich keine Partnerübungen mehr, denn man sollte die Zeit mit sich verbringen. Generell hieß das auch Blickkontakt zu vermeiden, jemanden anlächeln, berühren oder sonst wie in Kontakt mit jemandem treten. Alle Möglichkeiten der Kommunikation sollten unterlassen werden, um die Zeit mit mir allein größtmöglich zu unterstützen. Im Kurs waren auch ein paar Paare. Ich stelle mir vor, dass das ganz schön hart sein muss, den Partner nicht berühren zu dürfen.
13:00 – 13:30 Mittagessen
Ebenfalls ein sattvisches Ayurveda Essen, meist verschiedene Gemüsegerichte mit Hülsenfrüchten. Teilweise vegan, aber immer vegetarisch. Während man in der ersten Zeit noch zusammen saß zum plaudern, saß man in der Schweigezeit weit auseinander für sich zum Essen.
ab 13:30 Seva und Freizeit
Seva, selbstloses Dienen war ebenfalls Teil unseres Programms. So hat jeder von uns eine eigene Aufgabe bekommen, die er zum Wohle der Gemeinschaft verrichtet hat. Die war beispielsweise Geschirr spülen, nach den Mahlzeiten kehren oder auch Gemüse schneiden. Da mir meine Geschirrspülmaschine sehr wichtig ist, weil ich Geschirr spülen hasse, wusste ich schon, dass das meine Aufgabe sein wird. Und so war es dann auch. Aber meditativ und zu wissen, dass es nicht auf Dauer ist, war das sogar in Ordnung.
Bis zum Nachmittag durfte man seine Zeit dann frei einteilen. Da das Ashram mitten im Schwarzwald liegt, bietet sich für die Freizeit ein Spaziergang in der wundervollen Gegend an und seine Seele baumeln zu lassen.
16:00 – 18:00 Schweigeseminar: Nachmittagssession
Weitere Meditationen und Atemübungen folgen..
18:00 – 19:00 Abendessen und Seva
Ein leichtes Abendessen und selbstloses Dienen.
“Seva ist der Ausdruck von Liebe. Diene in welcher auch immer dir möglichen Weise. Frag dich selbst:”Wie kann ich für Menschen und die Welt um mich nützlich sein.” Dann wird dein Herz beginnen zu erblühen. Ansonsten denken wir immer:”Was ist mit mir, was ist mit mir?” Nichts ist mit mir!” Frag: “Wie kann ich nützlich sein, wie kann ich der Welt etwas geben.” – Sri Sri Ravi Shankar
19:30 – 21:00 Satsang
Den Abschluss des Tages bildet Satsang, wörtlich Zusammensein mit der Weisheit. Satsang ist ein wichtiger Bestandteil in der traditionellen Yogapraxis. Es besteht teilweise aus gemeinsamem Mantrasingen und musizieren oder auch aus gemeinsamen Wissensvermittlung zu bestimmten Themen. Manchmal werden auch Fragen vom Guru beantwortet, die Praktizierende zu ihrem jeweiligen Leben haben und wo sie eventuell mit sich oder anderen am hadern sind.
Habe ich die Ruhe in mir gefunden?
Ja, definitiv. Ich bin mehr ein introvertierter Mensch, habe also generell keine Probleme mit Stille, sondern ziehe daraus sogar eher meine Kraft. Mir ist es immer schon wichtig gewesen, immer wieder auch Zeit für mich zu haben. Somit war ich in dieser Hinsicht evtl. schon etwas besser vorbereitet. Auch die Zeit ohne Handy, Bücher oder sonstige Ablenkungen ist mir leicht gefallen. Ein schönes Gefühl, wenn einem bewusst wird, dass es auch ohne dies alles geht und ich mir als Gesellschaft auch genug sein kann.
Zudem tut es mir wahnsinnig gut mich in der Früh nach dem Aufwachen mit Yoga zu dehnen. Deshalb habe ich das auch in meine tägliche Morgenroutine für zu Hause übernommen.
Auch versuche ich, mich immer wieder von äußeren Einflüssen frei zu machen. Mich auf den gegenwärtigen Moment zu konzentrieren. Wenn ich fokussiert arbeiten will, lege ich mein Handy in ein anderes Zimmer, um nicht den Reizen zu erlegen, ständig überprüfen zu müssen, ob etwas Neues passiert ist. Somit kann ich meine Gedanken und meine Energie vollkommen auf die aktuelle Tätigkeit konzentrieren. Durch den Fokus auf das, was ich im Hier und Jetzt mache, gelingt mir die Arbeit auch viel schneller und effizienter.
Ich habe die Zeit der Stille übrigens komplett ohne Brille / Kontaktlinsen verbracht, was mich nochmal mehr in mich gebracht hat, weil ich durch die äußeren Einflüsse noch weniger abgelenkt war. Somit war mein Blick automatisch in mich gekehrt. Dies kann ich aber natürlich nur insoweit empfehlen, dass die eigene Sehkraft noch stark genug ist, sich trotzdem zurechtzufinden ;-).
Fazit nach 4 Tagen Schweigeseminar
Ich kann das Schweigeseminar auf jeden Fall weiterempfehlen. Zeit mit sich selbst zu verbringen kann einem so viele neue Erkenntnisse schenken, die einem einen neuen Blick auf die Welt eröffnen können. Möglicherweise sind deine Erfahrungen auch ganz anders als meine, weil jeder Mensch ja ein anderes Leben führt mit anderen Prioritäten. Wenn du aber herausfinden willst, was dir selbst wirklich wichtig ist, dann kann ich dir eine Zeit in der Stille sehr ans Herz legen.
Auch wenn man sich selbst auch zu Hause „einschließen“ könnte, anstatt ein Seminar für Geld zu buchen (immerhin kann man auch zu Hause ein paar Tage schweigen), hat das externe Seminar doch einige Vorteile. Denn an einem anderen Ort ist man nicht ständig mit seinem sonstigen Alltag konfrontiert und es fällt leichter abzuschalten. In deinen eigenen vier Wänden gibt es immer die Gefahr, dass dir doch noch etwas einfällt, was du gerade jetzt tun müsstest. In fremden vier Wänden kommt die Versuchung gar nicht erst auf. Zudem ist es sicherlich hilfreich v.a. für das erste Mal eine entsprechende Anleitung zu bekommen und zu wissen, dass ein Ansprechpartner im „Notfall“ da ist.