Das Thema „Overtourism: welche Verantwortung haben wir als (Reise-) Blogger“ hat mich schon eine Weile begleitet und auch lange Zeit davon abgehalten, meinen Blog zu starten. Was passiert, wenn ich eine kleine Farm empfehle, deren Besitzer so freundlich sind und die sich viel Zeit für mich nehmen? Und dann stürmen auf einmal 20, 50, 100 Menschen auf die gleiche Farm ein. Sind die Besitzer dann immer noch so freundlich? Nehmen sie sich immer noch die Zeit? Haben sie dann überhaupt noch die Zeit? Wie verändert sich die Farm?
Durch mein Tourismusmanagement Studium mit Schwerpunkt u.a. auf nachhaltigen Tourismus liegt mir dieses Thema natürlich besonders am Herzen.
Zudem gab es Erlebnisse, die mir die Dringlichkeit und Verantwortung jedes Einzelnen – nicht nur eines (Reise-) Bloggers – in diesem Bereich deutlich gemacht haben.
Overtourism in Santorini
Ich habe ein halbes Jahr als Reiseleiterin auf Santorini verbracht. Santorini ist eine wunderschöne Insel, keine Frage. Die Caldera, die durch einen Vulkanausbruch geschaffen wurde, bietet traumhafte Ausblicke.
Und gerade deshalb ist die Insel berühmt rund um die Welt. Hier findet man Asiaten, neben Amerikanern und Europäern, ein paar Griechen gibt es auch.
Ja, die kleine Insel hat massiv mit Overtourism zu kämpfen. Auf 20.000 Einwohner kommen über 2 Millionen Touristen pro Jahr. Und nachdem ich quasi auf der Insel gelebt habe, habe ich mitbekommen, was das für die Einheimischen heißt. Nämlich, dass es keinen Platz gibt, an dem man sich mal entspannen kann, wo man mal alleine durchschnaufen kann. Ich bin ein Mensch, der seine Kraft aus der Ruhe, aus dem Alleinsein zieht und daher war Santorini in der Hochsaison eine riesen Herausforderung für mich. Klar mag ich es auch Menschen um mich herum zu haben, aber ein wenig Freiraum mal so ab und zu..
Geheimtips? – Fehlanzeige
Von meinen Gästen wurde ich immer wieder nach Geheimtipps gefragt, nach typisch griechischen Tavernen. Aber die meisten Griechen auf der Insel arbeiten sehr viel und haben wenig Zeit mal Essen zu gehen. Zudem gibt es für die meisten Griechen im Winter durch den ausbleibenden Tourismus keine Jobs, also müssen sie das Geld auch für den Winter sparen. D.h. dass in allen Tavernen auch immer mehr Touristen zu finden sind als Einheimische. Denn wie gesagt, gibt es auch im Vergleich nicht so viele Einheimische auf der Insel. Die Tavernen, die es gibt, haben sich dementsprechend auch an ihre Haupteinnahmequelle, die Touristen, ein wenig angepasst. Zumindest ist das Ambiente oftmals mehr schick als traditionell.
Ich bin öfter mal herumgefahren, um ein ruhiges Plätzchen zu suchen. U.a. habe ich dabei einen Strand entdeckt, zu dem man hinunterwandern muss und wo ich keine Menschenseele gesehen hab.
Juhu, endlich ein wenig Ruhe. Nun ja, die vielen großen Steine sind jetzt nicht so gemütlich, aber die langersehnte Stille – einfach mal da sein und nicht performen müssen. Doch dann.. kam die nächste Welle und schwupps war ich von oben bis unten nass. Geil.. zudem muss man wohl wegen der Strömung aufpassen, die einen leicht ins offene Meer ziehen kann. Also kann die Einsamkeit auch ganz schön gefährlich werden. Doch selbst wenn ich ein perfektes Plätzchen gefunden hätte, wo ich Kraft tanken kann, hätte ich es weiterempfohlen? Hätte ich dann die Idylle für mich nicht wieder zerstört?
Wohnungsnot durch Tourismus
Zudem gibt es auf der Insel eine große Wohnungsnot. Ja, wir kennen das auch von unseren Großstädten – in München z.B. werden die Mieten immer teurer, weil immer mehr Menschen in den Städten leben wollen. In Santorini geht das so weit, dass z.B. Griechen von einer anderen Insel trotz Job wieder abreisen müssen, weil sie keine Bleibe finden. Denn die Wohnungen werden natürlich lieber an gut zahlende Touristen vermietet, als monatlich zu einem viel geringeren Preis.
Overtourism in Hallstatt
In Hallstatt habe ich Overtourism noch viel stärker erlebt als auf Santorini, weil sich die Massen ja nur auf ein kleines Dörfchen beschränken. So kommen hier auf ca. 800 Einwohner rund 1 Million Besucher jährlich.
Hallstatt ist ein wunderschönes Dorf, direkt am Hallstätter See gelegen und ebenfalls weltweit bekannt.
Doch was bedeuten die Touristen für die lokale Bevölkerung? Die Menschen, die zwischen den Touristenmassen wohnen. Die Menschen, die Schilder an ihren Gartenzaun hängen, dass Touristen ihren Garten doch bitte nicht betreten mögen. Die Menschen, die sich vielleicht darauf gefreut haben, von ihrem Garten den Blick auf den wunderschönen See zu genießen. Die Menschen, deren Heimat auf die Touristen zugeschnitten wurde und nicht auf sie, die dort wohnen. Die Menschen, die nicht in ihrem Heimatdorf einkaufen gehen können, einmal wegen der Touristenpreise und andererseits wegen der Auswahl der Artikel.
Aber wäre es eine Alternative dieses schöne Fleckchen Erde anderen vorzuenthalten? Es nur der lokalen Bevölkerung zugänglich zu machen, die die Schönheit genießen kann?
Fazit
Es gibt noch viele weitere Destinationen, die von Overtourism betroffen sind. U.a. heißt es, dass sich die Einwohner von Venedig ihre Wohnungen nicht mehr leisten können, da die Preise wegen des Tourismus explodieren.
Doch soll die Lösung sein Tourismus zu boykottieren? Es gibt ja auch einige Vorteile, die das Reisen bringt. U.a. die Offenheit zu anderen Kulturen, es erweitert den Horizont, verhilft zu neuen Denkweisen und hat natürlich auch ökonomische Vorteile für die Destination.
Respektvoller Umgang durch Information und Offenheit
Ich versuche daher in meinem Blog travel4soul.de die Kultur und Geschichte der jeweiligen Destination näher zu bringen. Derzeit steckt mein Blog noch in den Babyschuhen, aber ich habe z.B. vor auch Musikempfehlungen mit aufzunehmen, um noch einen tieferen Einblick zu geben. Ich denke, wenn man sich mit einer Destination intensiver beschäftigt, wächst der Respekt vor dieser anfangs noch fremden Kultur. Und ein respektvoller Umgang mit der lokalen Kultur ist meines Erachtens ein wichtiger Punkt für sanften Tourismus.
Unterstützung der lokalen Bevölkerung
Den Kauf bei lokalen Händlern zu unterstützen und nicht bei den großen Unternehmen, ist für mich ebenfalls ein großer Punkt. D.h. statt bei einem Starbucks findest du mich eher bei einem kleinen lokalen Café. Dies betrifft natürlich auch meine gewählte Unterkunft. Denn ich bin dafür, dass von der Wertschöpfungskette möglichst viel auch bei der lokalen Bevölkerung hängen bleibt. Die lokale Küche macht für mich zudem einen großen Teil der Reiseerfahrung aus. Allerdings hat man da natürlich die Verantwortung, dass sich diese Anbieter verändern, wie oben im Beispiel anhand der Farm erläutert.
Ich finde, dieses Prinzip gilt ebenso gut auch für den Alltag. Es gibt auch hier viele gute Cafés, muss es da wirklich ein Starbucks sein? Meine Café Empfehlungen in München findest du bald hier.
Die erwähnten Punkte sollen allerdings nur als Anregung dienen. Du sollst dich nicht dazu verpflicht fühlen, diesen blind zu folgen. Jeder sollte sich nur stets seines eigenen Einflusses bewusst sein und dementsprechend handeln. Es gilt das, was du für passend hältst.
Begrenzungen der ankommenden Touristen
Auch auf Seiten der Destinationen wird nun vermehrt auf die Bedürfnisse der Einheimischen Wert gelegt. So wird auf Santorini die Anzahl der ankommenden Kreuzfahrtschiffe reguliert und in Hallstatt ist es im Gespräch die Busse mit Tagestouristen zu reduzieren.
Tanja von Takly on Tour hat ebenfalls einen interessanten Beitrag zum Thema Verantwortung der (Reise-)Blogger geschrieben und zu einer Blogparade aufgerufen, an der ich gerne teilnehme. Ich finde es schön, dass sich auch andere Blogger zu dem Thema Gedanken machen, was für einen Einfluss sie haben. Vielen lieben Dank für diesen tollen Aufruf.
Liebe Sandra,
vielen Dank für diesen tollen Einblick. Ich stelle es mir unheimlich schwer vor, wenn man ein einer Stadt lebt, die von Reisenden förmlich überrannt wird und Overtourismus zum Graus wird. Ich freue mich, dass du an der Blogparade teilnimmst und deine Gedanken zum Thema Verantwortung geteilt hast.
Viele Grüße,
Tanja
Liebe Tanja,
die Erfahrung hat mich auf jeden Fall auch für die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung sensibilisiert. Eine super spannende, aufschlussreiche Zeit. Vielen Dank nochmal für den Aufruf zu einem aus meiner Sicht so wichtigen Thema.
Liebe Grüße
Sandra